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Einfach mal machen: Pioniere für den Klimaschutz
Jul 31, 2024
Dieser Artikel wurde im Bauernblatt Schleswig-Holstein veröffentlicht, Juli 2024 – Biogenes Kohlendioxid zur Herstellung von e-Methanol
Weltweit stehen wir vor der Herausforderung, dem Klimawandel durch die Entwicklung nachhaltiger Technologien entgegenzuwirken. Für eine künftige klimaneutrale Gesellschaft ist es entscheidend, den Ausstoß fossiler Treibhausgase zu verhindern und verfügbare Ressourcen so sinnvoll wie möglich zu verwenden. Die intelligente Nutzung von biogenem Kohlendioxid (CO2) aus Biogasanlagen ermöglicht es Ammongas und European Energy, einem Entwickler von Erneuerbaren Energien, Wasserstoff in e-Methanol umzuwandeln. Dies hilft wichtigen Industriesektoren bei der Umstellung auf nachhaltige Energiequellen. Auch in Deutschland gibt es dafür erhebliches Potenzial.
Der erste wichtige Schritt in eine nachhaltige Zukunft ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Grundversorgung mit Grünem Strom sicherzustellen. Aber wie stellt man Sektoren auf Nachhaltigkeit um, die aufgrund eines erheblichen Energiebedarfs nicht direkt elektrifiziert werden können, oder solche, die auf die stoffliche Nutzung petrochemischer Grundstoffe angewiesen sind? Hier kommt Power-to-X (PtX) ins Spiel. Dabei wird Strom (Power) in verschiedene Energieträger umgewandelt. Das „X“ ist ein Platzhalter für verschiedene Zwischen- oder Endprodukte wie Wasserstoff, Methanol, Ammoniak oder Flugbenzin, die in den entsprechenden Verfahren hergestellt werden können. Diese Produkte werden als eFuels oder Powerfuels bezeichnet, da sie durch den Einsatz elektrischer Energie gewonnen werden. Aufgrund des nachhaltigen Charakters dieser Stoffe werden sie oftmals auch einfach als „Grün“ bezeichnet.
Grüner Wasserstoff als Ausgangspunkt
Der PtX-Prozess beginnt in der Regel mit der Herstellung von Grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse. Beim Überschreiten der sogenannten Zersetzungsspannung zwischen zwei in Wasser getauchten Elektroden trennt sich das Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Dieser Wasserstoff stellt das erste der möglichen PtX-Produkte dar und kann beispielsweise als Treibstoff in Brennstoffzellen genutzt werden oder fossilen Wasserstoff in Raffinerieprozessen und anderen chemischen Anwendungen ersetzen. Ein Nachteil von Wasserstoff ist seine geringe Energiedichte, die große Tanks und Kompressoren für Lagerung und Transport erfordert. Zudem ist Wasserstoff leicht entzündlich, hochexplosiv und muss unter hohem Druck von bis zu 750 bar gespeichert und transportiert werden. Dies schränkt die Anwendungsbereiche, insbesondere mit Blick auf Langstreckentransporte und die Luftfahrt, stark ein. Wasserstoff kann in weiteren Schritten zu anderen Chemikalien wie Methanol umgesetzt werden. Durch Umwandlung in organische Flüssigkeiten kann er leichter transportiert und gespeichert werden. Zudem können dadurch höhere Energiedichten erzielt und weitere Anwendungsgebiete eröffnet werden. Für diesen Prozess wird Kohlenstoff in Form von CO2 benötigt. Durch den Einsatz von Katalysatoren reagieren Wasserstoff und CO2 gezielt zu Methanol, das anschließend destillativ vom Reaktionswasser getrennt wird.
CO2 aus Biogasanlagen
Um CO2 nachhaltig zu gewinnen, sollte es biogenen Ursprungs sein, also im Gegensatz zu fossilem CO2 aus biologisch erzeugten Stoffen entstehen. Quellen von biogenem CO2 sind beispielsweise Bioethanol-Anlagen, Biogasanlagen, Zellstoff- und Papierfabriken sowie die Umgebungsluft. Biogasanlagen sind dabei besonders geeignet, da Biogas etwa zur Hälfte aus CO2 besteht. Das erleichtert Abscheidung und Reinigung im Vergleich zu Verbrennungsprozessen oder DAC (Direct Air Capture, dem Binden von CO2 aus der Luft) und senkt die Kosten erheblich. In einer Biogasanlage finden biochemische Reaktionen statt, die natürlicherweise dazu neigen, unter Energiegewinn stabile Produkte zu erzeugen. Eines dieser stabilen Produkte ist Methan (CH4), besonders unter anaeroben (sauerstofffreien) Bedingungen. Die anaerobe Umwandlung von organischen Stoffen, der Biomasse, zu Methan wird durch zwei Gruppen von Bakterien vermittelt. Die erste Gruppe baut Zellulose und Ähnliches zu kurzkettigen organischen Säuren (wie Essigsäure) ab. Die zweite Bakteriengruppe wandelt diese Säuren anschließend in CH4 und CO2 um. Dieser Prozess findet überall in der Natur statt, wo Biomasse unter anaeroben Bedingungen vorhanden ist, so auch im Inneren einer Biogasanlage. Um das Biogas ins Erdgasnetz einzuspeisen, muss es mithilfe einer Biogasaufbereitungsanlage veredelt werden. Die Aufbereitungsanlage trennt das CO2 und andere Verunreinigungen aus dem Biogas ab, sodass reines Biomethan in Gasnetzqualität gewonnen wird. Die Trennung von CH4 und CO2 kann auf verschiedene Arten erfolgen. In Dänemark, dem Vorreiter des Biomethans, wird das Biogas in den meisten Anlagen mit einer basischen Aminlösung gewaschen. Das CO2 wird in der Waschlösung chemisch gebunden und so aus dem Gasstrom entfernt. Das mit CO2 angereicherte Amin kann anschließend erhitzt werden, wobei das gebundene CO2 wieder freigegeben wird und verdampft. Die Aminlösung wird gekühlt und im ersten Schritt wiederverwendet. Mittels Aminwäsche kann in einer Biogasaufbereitungsanlage von Ammongas Biomethan mit einer Reinheit von über 99% gewonnen werden. Das ebenfalls reine CO2, das als Nebenprodukt anfällt, wird üblicherweise an die Atmosphäre abgegeben. Als PtX-Rohstoff kann es jedoch ein Teil der Wertschöpfungskette des Biogases werden.
Grafik 1: Die Power-to-X-Wertschöpfungskette
Wertschöpfung über brennbaren Anteil hinaus
CO2, das aus einer Biogasanlage stammt, ist zu 100 % biogen und im Vergleich mit Verbrennungsprozessen sowohl höher konzentriert als auch frei von Schwefel- und Stickstoffoxiden. Mithilfe von Biofiltern kann Schwefelwasserstoff entfernt und das weitgehend reine, biogene CO2 in einfachen, ökonomischen Schritten final aufgereinigt, verflüssigt und als Rohstoff zur Verfügung gestellt werden. Dies bietet Biogasanlagenbetreibern eine Wertschöpfung aus dem gesamten Biogas (CH4 und CO2), die über den brennbaren Anteil des Methans hinausgeht. Allein in Dänemark schätzt der Branchenverband Biogas Danmark das Potenzial für 2030 auf über 2,2 Mio. t biogenes CO2 aus der Biogasproduktion, exklusiv für die Nutzung in PtX-Prozessen. Dies unterstreicht die Wertschätzung der biogenen Herkunft und bedeutet, dass das PtX-Produkt, das aus diesem CO2 hergestellt werden kann, ebenfalls vollständig nachhaltig und klimaneutral ist.
Biogasaufbereitungsanlage von Ammongas im dänischen Brande
Methanol in der Energie und Chemieindustrie
Methanol spielt eine entscheidende Rolle in der Transformation zu einer nachhaltigen Energie- und Chemieindustrie. Zurzeit werden etwa zwei Drittel des verfügbaren Methanols zur Herstellung anderer Chemikalien wie Formaldehyd, Essigsäure und Kunststoffen genutzt. Besonders die Herstellung von häufig verwendeten Kunststoffen wie Polyethylen und Polypropylen aus Methanol hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Damit können zum Beispiel Rohre, Tuben, Becher, Eimer oder Frischhaltefolie hergestellt werden. Das letzte Drittel wird direkt als Kraftstoff oder zur Herstellung von Kraftstoffen und Additiven wie Biodiesel, MTBE (Methyl-tert-Butylether) und DME (Dimethylether) verwendet. Der Vorteil: Methanol lässt sich chemisch wie Klemmbausteine zusammenfügen und ermöglicht es, größere und komplexere Moleküle zu erzeugen. Daher ließen sich durch die Produktion und Verwendung von e-Methanol in Zukunft nicht nur Treibstoffe, sondern auch chemische Erzeugnisse nachhaltig herstellen, für die bisher fossile Ausgangsstoffe benötigt werden.
Grafik 2: PtX: e-Methanol Produktion in Kassø
Pionierarbeit in Kassø, Dänemark
Im süddänischen Kassø, unweit der deutschen Grenze, errichtet European Energy die aktuell weltgrößte Anlage zur Herstellung von e-Methanol. Sie soll im September 2024 den Betrieb aufnehmen. Der installierte 50-MW-Elektrolyseur wird dabei von dem benachbarten 300-MW-Solarpark mit Strom versorgt. Zur Herstellung von 32.000 t Methanol pro Jahr werden 45.000 t CO2 benötigt. Das CO2 wird in 20 km Entfernung bei Envo Biogas in Tønder durch Ammongas verflüssigt und per Lkw angeliefert. Nach der Umsetzung mit Wasserstoff zu e-Methanol wird dieses an den Hafen von Ensted in Apenrade geliefert. Das in Kassø produzierte e-Methanol wird größtenteils als Treibstoff für die MethanolFrachter der Reederei Maersk verwendet, die für ihre Flotte bereits 18 dieser Schiffe geordert hat. Auch Lego und das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk gehören zu den Abnehmern, die die Chemikalie zur Herstellung von Kunststoffen verwenden wollen.
Netzstabilisierung und Fernwärme
Neben dem Hauptprodukt e-Methanol bietet die PtX-Anlage von European Energy weitere Vorteile. Durch die flexible Fahrweise des Elektrolyseurs können Schwankungen im Stromnetz ausgeglichen und notwendige Abregelungen von Erneuerbare-Energie Anlagen verringert werden. Darüber hinaus werden bei der Herstellung von Wasserstoff und e-Methanol große Mengen an Wärme freigesetzt. Da die Wärme nicht in den Prozess zurückgeführt werden kann, wird sie ausgekoppelt und direkt in das örtliche Fernwärmenetz eingespeist. Auf diese Weise profitieren auch die umliegenden Kommunen, da sie mit günstiger Grüner Wärme versorgt werden können. Aktuell entwickelt European Energy auf der Basis von Kassø einen 100.000-t-e-Methanol-Anlagenstandard, der die Umsetzung von Projekten in neuen Märkten erleichtert. Weitere PtX-Projekte von European Energy sind in Schweden, dem Baltikum, Spanien, Brasilien, Australien und den USA geplant. Die erste Anlage nach diesem Standard soll in Padborg, nahe der deutsch-dänischen Grenze, errichtet werden. Die benötigten 150.000 t CO2 pro Jahr will European Energy von einer Vielzahl an Biogasanlagen in einem Umkreis von bis zu 200 km beziehen. Zudem soll in Padborg eine Pilotanlage für eSAF (Sustainable Aviation Fuel) entstehen, die einen Teil des e-Methanols in nachhaltiges Flugbenzin umwandelt. Dieses Verfahren gilt als der goldene Schlüssel zur Defossilisierung der Luftfahrt, da hierfür sehr hohe Energiedichten nötig sind, die weder durch Batterien noch durch Wasserstoff oder Methanol bereitgestellt werden können.
Biogasanlagen sind besonders geeignet für die Abscheidung von biogenem CO2
Großes Potenzial in Deutschland
In Deutschland bietet e-Methanol enormes Potenzial. Durch die Nutzung von biogenem CO2 aus den zahlreichen Biogasanlagen im Land könnte eine signifikante Menge an e-Methanol oder e-Methan produziert werden, die in verschiedenen Industrien Anwendung finden. Dies könnte nicht nur zur Reduzierung von CO2 Emissionen beitragen, sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringern. Besonders in der chemischen Industrie, die einen großen Anteil der industriellen CO2-Emissionen verursacht, könnte e-Methanol eine nachhaltige Alternative bieten. Auch im Verkehrssektor, insbesondere für Schwerlasttransporte und die Schifffahrt, könnte e-Methanol als klimafreundlicher Treibstoff dienen. CO2 ist das am häufigsten vorkommende und bekannteste Treibhausgas. Deshalb wird es oft als Feindbild im Kampf gegen den Klimawandel dargestellt. Dabei ist CO2 so etwas wie energetischer Abfall: Es wird abgegeben, wenn organische Substanzen zur Energiegewinnung verbrannt beziehungsweise verstoffwechselt werden. Daher sollte das Ziel sein, CO2 wie üblichen Abfall zu recyceln, es als Rohstoff zu nutzen und daraus wertvolle neue Grund- und Kraftstoffe zu gewinnen. So erhält CO2 einen Wert, der weit über „Carbon Reduction Credits“ hinausgeht.
Vielseitige Verwendung von CO2
Biomethan und Power-to-X gehen Hand in Hand in eine erneuerbare Zukunft. Das bei der Biogasaufbereitung anfallende CO2 kann industriell vielseitig verwendet werden, jedoch ist der CO2-Markt sehr schnell gesättigt. Die Wiederverwendung von CO2 in PtX-Anwendungen, wo es bereits heute ein wichtiger Rohstoff ist, ist daher unabdingbar. Nur so können durch die beiden Verfahren nachhaltige, umweltschonende Alternativen zu fossilen Energieträgern hergestellt werden. CO2 ist das Bindeglied zwischen Ammongas und European Energy und bildet den roten Faden in den Wertschöpfungsketten beider Unternehmen. Mit fortschrittlichen Technologien treiben sie den Wandel zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Energie- und Chemieindustrie voran. Die Unternehmen scheiden Kohlendioxid aus bestehenden Prozessen ab und machen die begrenzten biogenen CO2-Quellen für neue Verfahren nutzbar. So ersetzen sie fossile Grundstoffe in Sektoren, die nicht direkt elektrifiziert werden können, und vermeiden den Ausstoß zusätzlicher Mengen Kohlendioxids. Deutschland könnte dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, indem es das Potenzial seiner Biogasanlagen für die Produktion von e-Methanol ausschöpft und somit einen bedeutenden Beitrag zur globalen Klimaneutralität leistet.
Kontakt:
Dr. Dirk Manns (Sales Manager)
Ammongas
Email: dima@ammongas.com
Simon Schrickel (Projektentwickler)
European Energy
Email: sch@europeanenergy.de